B2-Tunnel in Starnberg

Richtigstellung
Unsere Pressemitteilung vom 30. November enthielt 2 Fehler. Wir bedauern dies und stellen hiermit richtig:

  1. Der Tunnel IST (seit 2017) planfestgestellt, aufgrund eines Änderungsverfahrens läuft die Planungsphase jedoch noch (Ende 2023 erwartet).
  2. Parallel zu Teilen des Tunnel zu- und -ablaufs sind neue beidseits kombinierte Rad- und Fußwege geplant. Nicht jedoch oberhalb des Tunnels.

Die Position des VCD KV FFB-STA zum Starnberger B2-Tunnel in Kürze

Ein Autobahnende vierspurig bis ins Stadtzentrum zu verlängern, galt im Jahr 1965 zum Zeitpunkt der Verkehrsfreigabe der BAB952 noch als innovativ. Heute kämpfen wir mit den Folgen des Autobahnendes in der Stadt und mühen uns um mehr Sicherheit, weniger Lärm und Abgase. Ein Straßenbau-Großprojekt wie der B2-Tunnel wirkt dabei kontraproduktiv.

Denn trotz Baukosten von mindestens 320 Mio Euro bleibt auch mit B2-Tunnel die angestrebte innerörtliche Verkehrsberuhigung ungewiss bis unwahrscheinlich. Denn etwa 60% des Starnberger Verkehrs sind hausgemacht. Zudem bleiben oberirdische Verbindungen nach Gauting oder Possenhofen bestehen sowie der Bedarf nach Alternativen bei Tunnelsperrung oder -wartung. Und egal ob B2-Tunnel oder Umgehungsstraßen, die Maßnahmen werden weit über Starnberg hinaus Wirkung entfalten. Sie werden Starnberg nicht entlasten, sondern zusätzlichen Kfz-Verkehr anziehen und das Verkehrsproblem nur verlagern anstatt es zu lösen.

Die Verkehrspolitik der 1960er Jahre, die uns autogerechte Städte hinterlassen haben, fortzuschreiben, macht keinen Sinn:

Die Baukosten für den Tunnel sind unverhältnismäßig hoch (320 Mio EUR – Stand 2020 + Planungskosten, die bisher niemand in Summe kennt/nennt), die Flächenversiegelung und CO2-Belastung ebenso, durch „Kannibalisierungseffekte“ (weil der Tunnel neue Verkehre anziehen wird) ist eine echte Entlastung der Stadt unwahrscheinlich. Eine Abstufung der Münchner Straße ist unwahrscheinlich, der Gestaltungsspielraum der Stadt für eine Beruhigung der Hauptstraße daher gering. Fraglich ist auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis (Grundlage für die Genehmigung) mit steigenden Baukosten und Inflation. Hier ist – zumindest in Starnberg – allen unklar, welche Parameter genau in die Kosten-Nutzen-Abwägung einfließen. (Wir recherchieren und berichten).

Niemand will heute MEHR Autoverkehr in seiner Stadt. (Laut Umweltbundesamt 2016 finden 90% der Menschen in Deutschland, dass es zu einem guten Leben beiträgt, wenn man nicht mehr aufs Auto angewiesen ist.) Deshalb gehen zeitgemäße Verkehrslösungen mit einer gerechteren Neuordnung von Verkehrsflächen und Ressourcen zugunsten des Umweltverbundss einher. Einfach gesagt: Weniger Platz (und Geld) für Kfz, mehr für ÖPNV, Rad und Fuß. Deshalb fordern wir für die Stadt Starnberg eine zukunftsweisende Mobilitäts-Strategie, die den Kfz-Verkehr zu reduzieren und Starnberg nachhaltig zu entlasten hilft.

Dazu regt der VCD-Kreisverband anstelle des unverhältnismäßig teuren und klimaschädlichen B2-Tunnels (mit oder ohne Umfahrung) effektivere Maßnahmen an (siehe Ende der Seite).

Im Folgenden finden Sie die ausführliche Position des VCD Kreisverband FFB-STA e.V.:

Verkehrsplanung von gestern für eine Welt von morgen?

Anders als heute, wo wir unter dem Kfz-Verkehr leiden und um mehr Verkehrssicherheit und weniger Lärm-, Stickoxid- und CO2-Emissionen ringen, wurde die Verkehrsfreigabe der BAB 952 im Jahre 1965 von den Verantwortlichen noch gefeiert. Den Planern von damals kann man heute kaum vorwerfen, dass sie eine vierspurige Autobahn nach dem Autobahnende weiter bis ins Starnberger Stadtzentrum geführt haben. Galt die Idee der autozentrierten Stadt seinerzeit doch noch als Innovation.

Sich in der Gegenwart aber weiterhin den Planungszielen von 1965 zu unterwerfen, und nur die Symptomatik zu behandeln anstatt der Ursache, ist gegen besseres Wissen. Verkehrsplaner:innen sprechen Klartext: Wer Städte vom KfZ-Verkehr entlasten möchte, muss an zwei Schrauben drehen:

  1. Das Autofahren weniger attraktiv machen (verlangsamen, weniger Platz, Parkraum begrenzen, …- Push-Faktoren)
  2. Den Umweltverbund stärken (ÖPNV schneller, bequemer, bessere Taktung, mehr Rad- und Fußwege, Sammeltaxis… – Pull-Faktoren)

Deshalb fordern wir stattdessen die Entwicklung und Umsetzung einer zeitgemäßen Mobilitätsstrategie. Schließlich würde ein B2-Tunnel weit über Starnberg hinaus seine Wirkung entfalten.

Probleme lassen sich niemals mit der selben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ (Albert Einstein)

Eine einseitig aufs Auto ausgerichtete Verkehrsplanung ist insbesondere deshalb nicht zukunftsfähig, weil der Flächenverbrauch des Kfz-Verkehrs zu hoch ist. Klassische Verkehrsplanung, basierend auf Straßenausbau, setzt Fehlanreize, stimuliert den Kfz-Verkehr und verschärft damit letztlich die selbst verursachten Probleme, möglicherweise an einer anderen Stelle.

Die Verlagerung von Verkehr weg vom Kfz hin zu ÖPNV, Rad- und Fußverkehr führt zu einer effektiveren Nutzung der begrenzten Flächen. Sie reduziert den Druck auf das gesamte Verkehrssystem und hilft damit letztlich allen Beteiligten.

Innerorts den ÖPNV, Rad- und Fußverkehr fördern

Konkret benötigt ein Auto etwa zehnmal soviel Fläche wie ein Fahrrad. Gelingt es also, eine Auto- durch eine Fahrradfahrt zu ersetzen, gewinnt man gleichzeitig die Fläche für weitere neun Fahrräder. Führt dieses neue Flächenangebot zur weiteren Verkehrsverlagerung, dann potenziert sich der Effekt. So entstehen neue Gestaltungsspielräume im öffentlichen Raum. Das Prinzip gilt natürlich auch für den ÖPNV und für den Fußverkehr genauso.

Durchgangsverkehr auf die Bahn verlagern

Bezogen auf den Durchgangsverkehr heißt es, die Bahnlinie stärker in den Blick zu nehmen. Denn wie sinnvoll ist ein Pendlerverkehr zwischen Weilheim und München auf der Straße? Die Kapazität der Bahn ist ein Vielfaches höher als die einer Straße. Deshalb wären Park & Ride Angebote und ÖPNV-Zubringer zur Bahnlinie südlich von Starnberg die nachhaltigeren Investitionen.

By Transformative Urban Mobility Initiative (TUMI) – Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=79625451

Die oberirdische Verkehrsberuhigung bleibt ungewiss

Niemand kann Stand heute mit Gewissheit zusagen, dass die angestrebte, und im Starnberger Stadtrat einstimmig beschlossene oberirdische Verkehrsberuhigung mit dem Bau eines B2-Tunnels in Starnberg tatsächlich umgesetzt werden kann. Denn es verbleiben auch mit dem Tunnel oberirdische Verkehrsbeziehungen zwischen übergeordneten Straßen, z.B. der Gautinger und Possenhofener Straße. Deshalb wird die untere Verkehrsbehörde bei der weiteren Straßengestaltung ein gewichtiges Wörtchen mitreden, und das bedeutet für die Verkehrsberuhigung erfahrungsgemäß eher Gegenwind.

Ganz unabhängig davon nimmt der Flächenverbrauch für den Kfz-Verkehr auch mit dem Tunnelbau innerorts zu, z.B. für den siebenspurigen B2-Ausbau am Tunnelportal. Das Grundprinzip von Sicherheit und Leichtigkeit im Verkehr gilt weiterhin primär für den Kfz-Verkehr. Die Leichtigkeit des Fuß- und Radverkehrs spielt wie gehabt eine untergeordnete Rolle, weil dafür kaum noch Platz bleibt.

Wie viel Sinnvolles man mit 320 Mio Euro bewirken könnte!

Natürlich wissen wir um die projektgebundenen Fördermittel. Dennoch handelt es sich um Steuergelder, die mit einer zukunftsfähigen Verkehrspolitik von Bund und Freistaat auch anders verteilt werden könnten – und müssten. Deshalb sei dieses Gedankenspiel erlaubt:

Mit 320 Mio Euro ließe sich das gesamte Alltagsradroutennetz im Landkreis Starnberg verwirklichen. Ebenso könnte das Busnetz übernommen, langfristig gesichert und weiterentwickelt werden. Südlich von Starnberg könnten wir neue P&R- und ÖPNV-Angebote schaffen, um Pendler zügig in die Bahn und nach München zu bringen. Und im Starnberger Ortskern könnte man den Bahnhof See endlich barrierefrei ausbauen sowie das Ortszentrum mit einer angemessenen Seeanbindung ausstatten.

Alles finanziell und klimapolitisch sinnvollere Maßnahmen als der Ausbau einer ohnehin schon überlasteten Kfz-Verkehrsinfrastruktur.

Verantwortungslos gegenüber unseren Kindern und Enkeln

320 Mio Euro in eine einzige Kfz-Verkehrsmaßnahme mit einem riesigen CO2-Rucksack voll verbauter grauer Energie zu investieren, ist verantwortungslos gegenüber den nachfolgenden Generationen! Wir hinterlassen unseren Kindern und Enkelkindern nicht nur einen Schuldenberg, sondern verringern damit auch noch deren Chancen, auf die immer drängenderen Folgen des Klimawandels angemessen zu reagieren.

Mobilität als Ganzes denken und Verkehrsflächen gerecht verteilen

Mag es auch paradox klingen, der Schlüssel zur Lösung unserer Verkehrsprobleme liegt im Rückbau von Straßen, der Neuverteilung von Verkehrsflächen und der Schaffung verknüpfter Mobilitäts­angebote. Studien belegen, dass allein der Ausbau des ÖPNV keine Verringerung des Kfz-Verkehrs, sondern einfach mehr Verkehr bringt. Deshalb streben wir für Starnberg eine mittelfristige Mobilitätsstrategie an, die ohne B2-Tunnel oder weitere Umgehungsstraßen auskommt.

Frei nach Professor Knoflacher: „Wenn die Badewanne überläuft, dann empfiehlt es sich den Zufluss zu reduzieren, und nicht einen Bypass zu bauen.

Deshalb sind wir anstelle eines unverhältnismäßig teuren und klimaschädlichen B2-Tunnels (mit oder ohne Umfahrung) für folgende Alternativen:

  • Autobahnende möglichst bis Percha vorverlegen und die B2 von dort an zweispurig weiterführen, plus Abbiegespuren wo notwendig
  • Die zwei verbleibenden Spuren zu Bus- und Fahrradspuren umfunktionieren, um insbesondere den Busbetrieb zu beschleunigen
  • Innerorts wird der Verkehrsfluss durch abgestimmte Ampelschaltungen verstetigt
  • Anwohnerparken ausweiten
  • Auf der Autobahn wird die Geschwindigkeit im Zulauf je nach Verkehrsaufkommen dynamisch herunter geregelt
  • Die Bahnlinie zwischen Weilheim und Starnberg wird um P&R Angebote und ÖPNV-Zubringer ergänzt und mittelfristig durchgängig zweigleisig ausgebaut

Ergänzt werden allen Maßnahmen durch ein laufendes Monitoring, um die Mobilitätsnachfrage möglichst genau zu identifizieren und öffentliche Gelder für Investitionen stets mit maximaler Wirksamkeit einzusetzen. Gezählt werden zukünftig immer die transportierten Menschen und nicht die Fahrzeuge. Damit wird der Kapazitätsgewinn sichtbar und ermöglicht es intelligente Mobilitätslösungen weiterzuentwickeln, die auch in die Zeit passen.

Die Radldemo ‚Verkehrsraum fairteilen‘ am 27.06.2021 zeigt auf, wie viel mehr Pesonen mit Fahrrad auf einer Fahrspur mobil sein können – Foto: Gerhard Hippmann

Ergänzende Hinweise