Aktionsbündnis Radwegbau

Im Landkreis Starnberg hat sich im Zuge des diesjährigen Stadtradelns ein ‘Aktionsbündnis Radwegbau’ formiert. Verkehrs-, Natur- und Klimaschutzvereine drängen im Schulterschluss auf ein lückenloses Radwegenetz. Dies dient allen Verkehrsteilnehmern, so eine der zentralen Botschaften des Bündnisses.

Radldemo Verkehrsraum fairteilen am 1. Juli 2017

Bei der Klimaschutz-Aktion Stadtradeln 2019 war Starnberg kilometerstärkster Landkreis in Bayern. Den Ehrenamtlichen des neuen „Aktionsbündnisses Radwegbau“fehlt jedoch das Wichtigste für die Radfahrenden: „Wir haben viele Jahre gerne kräftig dazu beigetragen, dass der Landkreis Starnberg beim Stadtradeln vorne dabei ist, und freuen uns über diesen Erfolg. Doch nun brauchen wir endlich mehr Radwege, und zwar dringend!“, so Ellen Hacker vom Bund Natuschutz Bayern. Eine gute Rad-Infrastruktur sei besser als jedes „Danke“ und bringe mehr Menschen aufs Rad – und zwar das ganze Jahr über.

Die Vorteile für die Radfahrenden liegen auf der Hand: Durchgängige Radwege in ausreichender Breite bieten mehr Sicherheit und sind eine Einladung zum Umsteigen. Auch für alle anderen und den Landkreis selbst birgt ein höherer Anteil des Radverkehrs am gesamten „Modal Split“ viele Vorteile. Schließlich spart man im Vergleich zum Straßenbau Flächen, öffentliche Gelder und Zeit in der Umsetzung. Im Betrieb benötigt der Radverkehr nur etwa 10% der Fläche von Kfz *), und der Bau von Radwegen erfordert nur einen Bruchteil öffentlicher Mittel. Mit mehr Radverkehr bleibt die Infrastruktur auch bei weiterem Entwicklungsdruck leistungsfähig.

Das Aktionsbündnis Radwegbau wurde von den Kreisverbänden des Bund Naturschutz Bayern, ADFC und VCD sowie den lokalen Fridays for Future und Omas for Future aus der Taufe gehoben. Ziel des Bündnisses ist, das Thema Radverkehr politisch höher zu priorisieren und das vom Landkreis selbst gesteckte Ziel von 21% Radverkehrsanteil entschlossener zu verfolgen.

Grundlage der Vorschläge stellt das 2016 beschlossene „Konzept zum Alltagsradroutennetz“ dar, dessen Realisierung in den 14 Gemeinden noch sehr lückenhaft ist. Die Forderungen des Bündnisses im einzelnen:

  • Das Landratsamt soll die Umsetzung deutlich aktiver als bisher unterstützen und gegebenenfalls auch mitfinanzieren. Dafür müssen Personal und Budgets bereitgestellt werden.
  • Ein Mobilitätsbeirat des Kreistags wird eingesetzt, der unter anderem die laufende Priorisierung offener Maßnahmen begleitet.
  • Die Fortschritte im Ausbau des Radverkehrsnetzes werden jährlich geprüft und veröffentlicht.
  • Der Anteil des Radverkehrs am Modal Split im Landkreis wird 2020 ermittelt und im 4-Jahres-Turnus erhoben. Gegebenenfalls werden Maßnahmen zur Radförderung angepasst.
  • Solange die baulichen Maßnahmen noch nicht umgesetzt werden können, sind pragmatische Übergangslösungen zu schaffen, beispielsweise durch Geschwindigkeitsreduzierungen von Tempo 30 inner- und Tempo 60 außerorts, sofern sich Radfahrende und Kfz die Verkehrsflächen teilen.
  • Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass die in der StVO festgelegten Sicherheitsabstände beim Überholen von 1,50 m innerorts und 2,0 m außerorts eingehalten werden.

Gerade die beiden letzteren Forderungen zeigen, dass ein lückenloses Alltagsradroutennetz allen Verkehrsteilnehmern dient: „Mehr sichere Radwege ziehen mehr Radlfahrer an, und mehr Radlfahrer bedeuten weniger Stau.“, so Heinrich Moser, VCD Kreisverband FFB-STA e.V.

*) Abgeleitet aus dem VCD Mobilitätsatlas, siehe https://www.vcd.org/themen/klimafreundliche-mobilitaet/mobilitaetsatlas/

Verkehrswende im Landkreis STA Teil 3: VCD-Vorschläge

Im ersten Teil unserer Serie über die Verkehrswende im Landkreis Starnberg fühlten wir der Vision Mobilität 2020 auf den Zahn. In Teil zwei untersuchten wir, wieviel Verkehrswende in den Parteiprogrammen für die Kreistagswahl steckte. Deutlich zu wenig, mussten wir leider feststellen! Und das, obwohl sich viele Landkreisbürger*innen eine Mobilität für Menschen dringend wünschen. Somit dürften weiterhin viele in Politik und Verwaltung im Landkreis am Bedürfnis nach Sicherheit, Gesundheit und Fairness im Verkehr vorbei arbeiten. Das wollen wir ändern.

In diesem dritten und letzten Teil der Serie folgen konkrete Vorschläge, wie wir die Verkehrswende im Landkreis Starnberg doch noch gemeinsam realisieren können. Diese sollen als Diskussionsgrundlage für eine echte Vision Mobilität 2025 dienen:

Vorschlag 1: Der Landkreis ergreift geeignete Maßnahmen, um den motorisierten Individualverkehr (MIV) zugunsten des Umweltverbunds wirksam zu reduzieren. Ziel ist es, den MIV-Anteil am Modal Split (bezogen auf Wege) jährlich um ein Prozent zu senken. Der Neu- und Ausbau von Straßen und Stellplätzen für Kfz wird gestoppt. Finanzielle und personelle Ressourcen werden entsprechend umverteilt.

Für eine echte Verkehrswende ist eine deutliche Reduzierung des MIV unabdingbar. Denn lebenswerte öffentliche Räume sind nur mit erheblich weniger Kfz-Verkehr möglich. Dieses Ziel ist erreichbar, indem der immense Aufwand an Personal und finanziellen Mitteln für den Kraftverkehr zugunsten verträglicher Mobilitätsformen zurück gefahren wird. Es kann nicht sein, dass sich das Landratsamt mit dem Premiumservice seiner Kfz-Zulassungsstelle brüstet, während die Radverkehrsförderung wegen Personalmangel zum Erliegen kommt. Und wie die Vergangenheit gezeigt hat, führen Straßen- und Parkplatzbau langfristig stets zu noch mehr Belastung durch Autoverkehr.

Vorschlag 2: Die E-Start-Kampagne wird durch eine F-Stopp-Kampagne ersetzt. Ziel ist es, den Motorisierungsgrad (bezogen auf die Einwohnerzahl) mit fossil angetriebenen Fahrzeugen im Landkreis möglichst schnell zu senken. Es werden keine Genehmigungen mehr für Infrastruktur und Handel für bzw. mit fossilen Treib- und Brennstoffen erteilt.

Das Ziel der E-Start-Kampagne, den Landkreis zur Region mit der höchsten Dichte an Elektrofahrzeugen zu machen, geht am eigentlichen Problem vorbei: Das ist nämlich die viel zu hohe Nutzung von Fahrzeugen, die mit fossilen Treibstoffen angetrieben werden. Es ist außerdem nicht mit dem Ziel vereinbar, den MIV zu reduzieren. Und nicht zuletzt wird der immense Ressourcenverbrauch für die Produktion elektrisch angetriebener Kfz übersehen, der nach heutigem Erkenntnisstand keinen Umstieg auf E-Autos im globalen Maßstab erlaubt.

Poolnudel-Demo am 7. Oktober 2019 in Gilching

Vorschlag 3: In der Raum- und Bauleitplanung stellt der Landkreis die Schaffung von Kommunen der kurzen Wege in den Mittelpunkt.

Das überkommene Ideal der autogerechten Stadt basiert auf strikter räumlicher Trennung von Wohnen, Arbeit, Einkauf und Freizeit. Als Verkehrsmittel zwischen diesen Nutzungen ist das Privatauto vorgesehen. Diese Idee wurde auch im Landkreis Starnberg über viele Jahrzehnte in Beton gegossen und zwingt heute viele Menschen zur Kfz-Nutzung. Als beratende und kontrollierende Behörde im Bauwesen kann das Landratsamt auf eine Umkehrung dieser Fehlentwicklung hin wirken.

Vorschlag 4: Der Landkreis stellt sicher, dass Straßen gemäß der Gestaltungsgrundsätze der Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen geplant werden. Demnach kommen die Belange von Fußgängern und Radfahrern bei der Aufteilung des Straßenraums an erster Stelle.

In den Landkreiskommunen gibt es zahlreiche Beispiele, wo Fußgänger und Radfahrer an den Rand gedrängt werden, um optimal breite Fahrbahnen für den Kraftverkehr zu ermöglichen. Auch dieses Planungsprinzip ist nicht mehr zeitgemäß und entspricht zudem nicht einmal den heute geltenden Richtlinien. Daher soll die Obere Verkehrsbehörde im Landratsamt sicher stellen, dass innerörtliche Straßen von außen nach innen geplant werden, d. h. zuerst wird ausreichend Platz für Fuß- und Radverkehr vorgesehen, und dann wird der restliche Raum für Kfz verwendet.

Vorschlag 5: Der Landkreis unterstützt die Kommunen bei der Umsetzung von Maßnahmen für sichere und menschenfreundliche Verkehrsführung wie Geschwindigkeitsbeschränkungen (Tempo 30 innerorts), Fußgängerüberwege und Verkehrsberuhigte Bereiche.

Bislang genießen die Belange des Kraftverkehrs stets höchste Priorität bei den Verkehrsbehörden im Landratsamt (sowie bei Verkehrspolizei und Straßenbauamt). Dies widerspricht jedoch den Wünschen der Allgemeinheit. In Zukunft müssen Sicherheit und Wohlbefinden von Fußgängern und Radfahrenden höher gewichtet werden als die Leistungsfähigkeit für den Kfz-Verkehr.

Demo bei der Eröffnungsveranstaltung der Westumfahrung Starnberg am 1. Dezember 2018

Vorschlag 6: Der Landkreis unterstützt die Kommunen bei der Planung und Realisierung von Mobilitätsstationen an Bahnhöfen und anderen verkehrlich bedeutsamen Orten.

Mobilitätsstationen optimieren den Wechsel zwischen Verkehrsmitteln. Insbesondere kleinere Gemeinden sind häufig nicht in der Lage, solche neuartigen Konzepte aus eigener Kraft umzusetzen. Hier wird Unterstützung durch das Landratsamt benötigt, was auch die Etablierung von einheitlichen Standards im ganzen Landkreis erleichtert.

Vorschlag 7: Der Landkreis setzt sich für ein 365-€-Jahresticket für alle Bürgerinnen und Bürgern im MVV ein. Wer keinen Kfz-Führerschein besitzt oder diesen hinterlegt, kann den ÖPNV kostenlos nutzen. Neubürger können den ÖPNV in den ersten drei Monaten kostenlos nutzen.

Die beschlossene Einführung des 365-€-Jahrestickets für Schüler*innen und Auszubildende ist ein erfreulicher Schritt in die richtige Richtung. Ziel muss allerdings sein, das Angebot auf alle Menschen auszuweiten, denn der öffentliche Verkehr darf nicht als Notlösung für unfreiwillig autolose Randgruppen verstanden werden. Aus demselben Grund ist es nicht ausreichend, die kostenlose ÖPNV-Nutzung bei Hinterlegung des Kfz-Führerscheins nur Senioren anzubieten. Nicht zuletzt sollen auch Neubürger kostenlos fahren dürfen, denn nach einem Umzug sind Menschen für neue Alltagsroutinen besonders aufgeschlossen.

Vorschlag 8: Der Landkreis setzt ein eigenes, mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattetes Team für die Förderung des Fuß- und Radverkehrs ein. Die Realisierung des bereits beschlossenen Alltagsradroutennetzes sowie die Planung von Radschnellwegen werden mit höchster Priorität verfolgt. Das Team tauscht sich im Rahmen eines runden Tisches Radverkehr regelmäßig mit Bürger*innen, örtlichen Initiativen und NGOs aus, um konkrete Verbesserungen für Zufußgehende und Radfahrende zu erarbeiten und rasch zu realisieren. Ziel ist es, den Radverkehrsanteil am Modal Split (bezogen auf Wege) jährlich um ein Prozent zu steigern.

Das bisherige (geringe) Tempo bei der Realisierung des 2016 beschlossenen Alltagsradroutennetzes ist völlig inakzeptabel. Während die Kommunen beim Buslinienverkehr bestmöglich koordiniert, umworben und gefordert werden, behandelt die Landkreisverwaltung den Radverkehr mehr als stiefmütterlich. Wie aufwändig zu realisierende Infrastruktur erfolgreich umgesetzt werden kann, demonstriert das Staatliche Bauamt beim Bau des gigantischen Kfz-Tunnels in Starnberg.

Radldemo für sichere Schulwege am 18. Oktober 2019 in Gilching

Um ein realistisches Bild von Ist-Stand und Entwicklung der Mobilität im Landkreis Starnberg zu erhalten, sind regelmäßig (zum Beispiel alle zwei Jahre) methodisch fundierte Mobilitätserhebungen durchzuführen und zu veröffentlichen. So kann die Wirksamkeit der Maßnahmen überprüft und – falls nötig – rechtzeitig gegengesteuert werden.

Im Übrigen wäre gegenüber der bisherigen Praxis schon viel gewonnen, wenn die Entscheidenden in Verwaltung und Politik Interpretations- und Ermessensspielräume konsequent im Sinne der Verkehrswende nutzen. Dies gilt zum Beispiel für Tempolimits, Fußgängerüberwege und –ampeln, Fahrradschutzstreifen, rotmarkierte Fahrradfurten etc. Vor allem die Verantwortlichen in Landratsamt, Straßenbauamt und Verkehrspolizei fordern wir auf, künftig zugunsten gesunder und fairer Mobilität für Alle zu entscheiden – und nicht länger den Fokus auf möglichst hohen Kfz-Durchsatz zu legen. So könnten die Landkreiskommunen leichter für die Lebensqualität ihrer Bürgerinnen und Bürger sorgen.

Fazit: In Landkreispolitik und -verwaltung herrscht (noch?) wenig Bewusstsein und Entschlossenheit, unsere Mobilität zeitgemäß zu gestalten. Somit kommt es auf Bürgerinnen und Bürger wie Sie sowie auf Verbände wie den VCD an. Verhelfen wir gemeinsam mit einer Verkehrswende von unten einer menschen- und umweltfreundlichen Mobilität zum Durchbruch. Seien Sie dabei und machen Sie mit!

Verkehrswende im Landkreis STA Teil 2: Kommunalwahlprogramme

Im ersten Teil unserer Beitragsserie über die Verkehrswende im Landkreis Starnberg analysierten wir die vom Kreistag beschlossene Vision Mobilität 2020. Nachdem wir dort allerdings nur ansatzweise fündig wurden, suchten wir in den aktuellen Kommunalwahlprogrammen der für den Kreistag kandidierenden demokratischen Parteien nach der Verkehrswende. Diese Betrachtung soll einerseits einen Blick in die verkehrspolitische Zukunft ermöglichen. Sie kann andererseits als Informationsquelle für unentschlossene Wählerinnen und Wähler dienen.

Bündnis 90/Die Grünen

Im Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen befasst sich der Abschnitt A.2 „Umweltfreundlich mobil” mit dem Thema Mobilität:

Ziel: Der Landkreis ist 2026 Vorbildregion in Sachen Mobilität – eine neue Mobilitätskultur ist etabliert

  • Das bereits beschlossene Alltagsradtourennetz ist zu 50 % realisiert.
  • Vernetzte Systeme sind etabliert; das heißt ÖPNV und Sharing für Rad und Auto stehen flächendeckend zur Verfügung.
  • Der Landkreis hilft Kommunen und Unternehmen einzelne Projekte wie Ruftaxis, Sharing- und Mitnahme-Initiativen im Landkreis und in der Metropolregion auf einer Plattform den Bürgerinnen und Bürgern verfügbar zu machen.
  • Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Studierende fahren mit dem 365 € Ticket zu ihren Lern- und Ausbildungsorten und nutzen den ÖPNV auch in der Freizeit. Die Kostenfreiheit des Schulwegs bleibt unberührt.
  • Jeder Ort im Landkreis ist von morgens 5 Uhr bis Mitternacht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar.
  • Tempo 30 km/h innerorts auf Kreisstraßen ist die Regel.
  • Der Landkreis unterstützt Kommunen, die in ihrer Ortsmitte das gleichberechtigte Miteinan- der von Fuß-, Rad- und Autoverkehr durch bauliche Maßnahmen realisieren (Shared-Space-Konzepte).
  • Im eigenen Fuhrpark werden ausschließlich und in Ausschreibungen werden ausschließlich LKWs mit Abbiegeassistent eingesetzt bzw. vorausgesetzt.

Der Abschnitt A.1 „Klimaziele erreichen” enthält außerdem den Punkt:

  • Ein Förderprogramm für E-Bikes und E-Lastenräder unterstützt die heimischen Betriebe.

Die genannten Maßnahmen stimmen offenbar weitgehend mit der Vision Mobilität 2020 überein. Neue und wirkungsvolle Impulse im Sinne der Verkehrswende stellen die ÖPNV-Grundversorgung aller Orte sowie die Förderung von E-Bikes und Shared-Space dar. Ein zehn Jahre nach Beschluss nur zur Hälfte realisiertes Alltagsradroutennetz erscheint hingegen unambitioniert, und die Planung und Realisierung von Radschnellwegen fehlt gänzlich. Auch das 365-€-Ticket für junge Menschen in Ausbildung wird den aktuellen verkehrspolitischen Herausforderungen nicht gerecht, weil es den ÖPNV weiterhin als Mobilität für Randgruppen darstellt – und schon vor der Wahl von der Realität eingeholt wurde. Insgesamt ein erfreulich ausführlich und konkretes Programm, das aufgrund seiner teilweise begrenzten Ambitionen allerdings nur Ansätze von Verkehrswende enthält.

Critical Mass am 31. Mai 2019 in Gilching

CSU

Im kurz gehaltenen Wahlprogramm der CSU wird im Abschnitt „Unsere Lebensqualität erhalten” zum Thema Mobilität Stellung bezogen:

Damit die Lebensqualität in unserem Landkreis mit seinen 14 Gemeinden erhalten bleibt, brauchen wir weiterhin Anreize für neues Mobilitätsverhalten.
Mehr Expressbusse, Ruf- oder Bürgerbusse, die Ausweitung und Verdichtung der Takte im Personennahverkehr, attraktive Tarifangebote, aber auch sichere Radwege bieten Alternativen für die täglichen Wege zur Arbeit, im Alltag sowie in der Freizeit, tagsüber und in der Nacht. Interkommunale Mobilitätskonzepte und Lösungen helfen, die vom Durchgangs- und Tourismusverkehr besonders geplagten Gemeinden im Landkreis zu entlasten.

Die Einordnung des „Durchgangs- und Tourismusverkehrs” als Belastung und die Forderung nach einem neuen Mobilitätsverhalten gehen grundsätzlich mit der Verkehrswende konform. Allerdings lässt die Beschränkung auf auswärtigen Kraftverkehr eine Nimby-Haltung erkennen, die aufgrund des extrem hohen landkreiseigenen Kraftverkehrsaufkommens weder angebracht noch zielführend ist. Die eigentlichen Maßnahmen werden oberflächlich in einem einzigen Satz aufgezählt und gehen nicht über die bereits beschlossene Vision Mobilität 2020 hinaus. Sinnvoll erscheint der nicht näher ausgeführte Ansatz, interkommunale Konzepte und Lösungen zu verfolgen. Insgesamt bleibt das Programm zu vage, um einer konsequenten Verkehrswende gerecht zu werden.

Park-Platz statt Parkplatz am 29. Juni in Starnberg

FDP

Das Programm der FDP behandelt das Thema Mobilität unter der Überschrift „schneller, bedarfsgerechter und umweltfreundlicher Verkehr”:

Erfolge

Wir haben den bereits abgelehnten Expressbus X910 (von Weßling zur U-Bahn nach Großhadern) neu ins Gespräch gebracht und für seine Realisierung gesorgt. Uns ist es ein Anliegen, den ÖPNV für den Berufsverkehr attraktiver zu machen.
Wir unterstützen die Einrichtung eines landkreisweiten Ladenetzes für die E-Mobilität sowie die Verbesserungen beim landkreisweiten Radwegenetz. In unserem ländlich geprägten Landkreis ist auch der Individualverkehr ein gleichrangiger Bestandteil unserer Mobilität.

Ziele

Wir brauchen im Landkreis einen Verkehrsmix. Wir sind nicht die Partei, die gegen Autofahrer ist und den Verkehr so umgestalten will, dass er für Individualverkehr uninteressant wird. Um den Gemeinden bestmögliche Gestaltungsmöglichkeit für die Verkehrsplanung zu geben, müssen die Gemeinden über ihre Straßen verfügen und planen können. Die Einrichtung von „Wassertaxis“ auf den Strecken Berg – Starnberg und Herrsching – Dießen ist zu prüfen.

Zur Schaffung vergleichbarer Lebensverhältnisse in Stadt und Land ist das System der Anruftaxis als Bestandteil des ÖPNV zügig auf den ganzen Landkreis auszuweiten.

Außerdem findet sich unter „ökonomisch und ökologisch vernünftige Abfallbeseitigung im Landkreis” der Satz:

Wir müssen die Anwohner nicht unnötig mit Lärm und Verkehr belasten, wenn auch andere Möglichkeiten, die zudem auch kostengünstig sind, zur Verfügung stehen.

Die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch den Kraftverkehr wird demnach durchaus anerkannt, aber nicht als Motivation für die Verkehrspolitik herangezogen. Vielmehr stehen wirtschaftliche Belange im Vordergrund, und der MIV soll explizit nicht eingeschränkt werden. Die Einrichtung von Wassertaxis sticht als originelle Idee hervor, ansonsten sind keine über die Vision Mobilität 2020 hinaus gehenden Ambitionen enthalten. Insgesamt erteilt das Programm der Verkehrswende mehr oder weniger eine Absage.

Poolnudel-Demo am 19. Juli 2019 in Herrsching

Freie Wähler

Die Freien Wähler haben zwar kein Kommunalwahlprogramm, auf ihrer Webseite werden allerdings unter der Rubrik „Unsere Politik vor Ort” im Abschnitt „Infrastruktur” verkehrspolitische Ziele in einem Satz beschrieben:

Wir stehen für den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs durch bessere Taktung, erweiterte Busverbindungen und den Ausbau des Radwegenetzes.

Damit werden Minimalforderungen ohne warum und wie gestellt, die auch in der beschlossenen Vision Mobilität 2020 enthalten sind und für eine Verkehrswende sicherlich nicht ausreichen.

ÖDP

Im Kommunalwahlprogramm der ÖDP wird das Thema Mobilität sehr ausführlich behandelt:

1 Knappen öffentlichen Raum, der allen gleichermaßen zusteht, neu verteilen bzw. aufteilen, bzw. die individuelle Inanspruchnahme finanziell ausgleichen.

Beispiel: Privat-PKW beanspruchen für sich auf öffentlichen Straßen kostenlos parken zu dürfen.
Lösung: mehr Parkraumbewirtschaftung; Belohnungssystem für Fußgänger & Fahrradnutzer sowie Verkehrsteilnehmer, die keine Flächenversieglung beanspruchen. „Über“-Nutzung öffentlichen Raums kostenpflichtig machen und mit diesem Geld den ÖPNV fördern. Bewusstsein schaffen durch z.B. ‚Shared Space‘-Verkehrsbereiche mit rückgebauter Beschilderung; Unterstützen von Gemeinden, die autofrei werden möchten.

2 Raum- und ressourcenintensiven Individualverkehr (z.B. Mehrspur-Fzge. mit Motorantrieben) reduzieren.

Bsp.: Pendlerverkehr – Bewusstsein und Kommunikation für Alternativen wie z.B. Homeoffice schaffen. Pendlerparkplätze (Anbindung an ÖPNV) ausweisen, Mitfahrgelegenheiten (z.B. Apps) und Ridesharing fördern. Öffentliche Einrichtungen als Vorreiter und Musterbeispiele diesbezüglich etablieren.
Trotzdem der LKr STA bereits versucht flächendeckend & tageszeitunabhängig MVV bereitzustellen, gibt es in der Verfügbarkeit des ÖPNV nach wie vor tageszeitabhängige & örtliche Lücken; Der ÖPNV darf vor allem nicht an den LKr-Grenzen enden; es gilt Kooperationen mit den Nachbar-Landkreisen zu bilden.
Für die Gegenden, in denen sich die klassischen ÖPNV-Modelle nur ungenügend wirtschaftlich gestalten lassen, wären diese Lösungsansätze denkbar: Bürgerbus, Ruftaxi (=Sammeltaxi auf Stundenbasis fährt Haltestellen an (1h Vorlaufzeit) nach dem Beispiel FFB, ragt über Inning bis Herrsching und Weßling in den Lkr STA hinein).

3 Erreichbarkeit des ÖPNV (Schnittstellen) und überfüllte P&R-Parkplätze.

P&R-Parkplätze ausbauen ist zweischneidig, weil damit u.U. zusätzlicher Individualverkehr angezogen wird; besser: Ridesharing fördern; Integration Parkgebühr in Monatsticket (=Parkplätze bleiben Pendlern vorbehalten), Radzuwege ausbauen & sichere Radlstellplätze (brauchen weniger Platz als PKW).

4 Fahrradverkehr fördern – Schnittstellen zum ÖPNV optimieren.

  • Firmenfahrrad statt Firmenwagen! Kommunizieren dieser steuerlich attraktiven Alternative; wir fordern, dass öffentliche Arbeitgeber hier in die Vorreiterrolle schlüpfen.
  • Wir setzen uns ein für den Ausbau der Radl-Infrastruktur, um das Radfahren sicherer zu machen durch z.B. rote Querungsmarkierungen, dem Ausweisen von mehr Fahrradstraßen, beleuchteten Radwegen, usw.
  • Um Missstände aufzudecken, lokale Aktionskreise bilden nach Vorbild des AK mobil&lebenswert in Weßling.
  • Leihfahrradangebote insbesondere auch für Lastentransportfahrräder müssen ausgebaut werden. Hierfür ist es sinnvoll, zwischen Touristik- und Pendler- (z.B. MVG-Rad (z.B. Neugilching-Asto-Park), sowie Transportangeboten (z.B. Leih-Lastenrad der NBH in Weßling) zu differenzieren und die Angebote auf das jeweilige Anforderungsprofil abzustimmen.
  • Eine finanzielle Unterstützung bei der privaten Anschaffung von Lastenfahrrädern wird der Verbreitung als ernsthafte Transportalternative dienen.
  • Die Fahrradmitnahme im ÖPNV (Bus & Bahn) muss verbessert werden. In der S-Bahn ist die Mitnahme (wenn größer als 20“(=kostenlos)) so teuer, dass der Eindruck entsteht, dass über den Preis ein Ausweiten der Inanspruchnahme des Angebots verhindert werden solle. Hierfür müssen Gespräche mit den Verantwortlichen beim MVV geführt werden um konstruktive Lösungen auf den Weg zu bringen.
  • Ein weiterer Ansatz zur sinnvollen Kombination von Fahrrad mit dem ÖPNV ist die Idee, Linienbusse auf dafür geeigneten Linien mit Radl-Gepäckträgern am Heck auszurüsten. Damit die Haltezeiten sich nicht unkalkulierbar verlängern, beschränkt auf den Fahrradtransport von Anfangs- bis Endstation; Denkbar wäre auch die gleichberechtigte Mitnahme wie Kinderwagen von max. 2 Fahrrädern im Innenraum mit der Einschränkung, dass ggf. beim Zusteigewunsch eines Kinderwagens oder Rollstuhls die Fahrräder Platz machen und aussteigen müssten.

5 365-Tage-Pauschalticket etablieren.

Was bezahlt ist, kostet nichts mehr extra (vgl. vollgetankter PKW vor der Haustüre) und stellt die geringste Nutzungshürde dar.

6 Buswartehäuschen fördern.

Damit das Warten auf den Bus wetterunabhängiger wird.

7 Ausflüglerverkehr ins Fünfseenland.

Alle wollen direkt am See parken ohne lange Zubringerwege. Neben den klassischen Maßnahmen, wie Anliegerstraßen und Parkraumbewirtschaftung, muss ein Bewusstsein geschaffen werden für das hohe Gut unserer Umwelt, die es lebenswert zu erhalten gilt. Dabei sollen Erholungssuchende nicht ausgesperrt werden oder in ihrer Freiheit beschnitten werden, sondern win-win-Lösungen erarbeitet werden. Z.B. autofreie Zonen plus Shuttle-Zubringer.

8 Mietroller.

Wir sprechen uns klar gegen das Verleihgeschäft von „Spaßrollern“ aus. Sie bergen hohes Unfallrisiko, liegen überall herum und sind nicht nachhaltig (z.B. Elektroschrott). Wenn schon Mietfahrzeuge, dann z.B. das Münchner Vorbild der Emmy-Roller (Elektro-Schwalbe).

9 Umgehungsstraßen.

Sie bringen oft nicht die erhoffte Entlastung der Orte, stattdessen generieren zusätzliche Straßen zusätzlichen Verkehr und die Bodenversieglung darf auch nicht vernachlässigt werden. Ein Ausbrechen aus dem Dilemma kann am ehesten durch genaues Abwägen und Planen im Vorfeld erzielt werden; es gilt, alternative Verkehrskonzepte zur Entlastung zu erarbeite, dabei eine gute undogmatische Kommunikation zu pflegen und unterschiedliche Interessensgruppen zu vereinen.

10 Barrierefreiheit.

Barrierefreiheit muss im Sinne eines guten Zusammenlebens für alle ein selbstverständliches Anliegen sein, jenseits von Kosten- und Wirtschaftlichkeitsabwägungen – es geht um ethische Werte.

Die genannten Konzepte und Maßnahmen sind ambitioniert und weisen deutlich in Richtung Verkehrswende. Mit der Reduzierung des MIV, der Umverteilung des Verkehrsraums und Parkraumbewirtschaftung spielen auch de-attraktivierende Maßnahmen eine wichtige Rolle, sodass eine hohe Wirksamkeit zu erwarten ist. Anlass zur Kritik geben teilweise unausgegorene Ideen wie die Förderung der Fahrradmitnahme im häufig überlasteten ÖPNV, sowie fehlende Anknüpfungspunkte an laufende Projekte wie das Alltagsradroutennetz oder die Konzeption von Radschnellwegen. Insgesamt ein hinsichtlich Verkehrswende besonders ehrgeiziges Programm, dem es in seiner Gesamtheit allerdings etwas an Struktur und Priorisierung mangelt.

Park-Platz statt Parkplatz am 20. September 2019 in Herrsching

SPD

Die SPD hat kein Kommunalwahlprogramm veröffentlicht. Auf Anfrage teilte uns die Kreisvorsitzende (Julia Ney) mit, dass das Programm der Kreistagsliste mit dem der Landratskandidatin (Christiane Kern) überein stimmt. Auf deren Webseite steht im Begrüßungstext:

Ich möchte, dass die zukünftige Mobilität so gestaltet wird, dass immer mehr Menschen in der Region auf ihr eigenes Auto verzichten.

Weitere Inhalte zum Thema Mobilität gibt es im „Schwerpunkt Klimaschutz” unter der Überschrift „Attraktiver ÖPNV”:

Um mehr Menschen für den Verzicht auf das Auto zu begeistern, braucht es einen attraktiven ÖPNV mit zuverlässigen Verbindungen. Weiterhin sollen die Verkehrsmittel für alle Menschen zugänglich sein, mit und ohne Handicap.

Ein attraktiver öffentlicher Personen- und Nahverkehr heißt für mich: Verlässliche Fahrpläne und Taktverdichtungen der S6 und S8, eine Express-S-Bahn auf der Strecke Herrsching – München, Barrierefreiheit aller Bahnhöfe und eine Wiederöffnung der S-Bahn-Haltestelle Weichselbaum – dafür setze ich mich ein!

Die Reduzierung des Autoverkehrs wird hier erfreulich klar als Ziel benannt. Dazu werden allerdings allein bodenständige Maßnahmen zur Verbesserung des ÖPNV, vornehmlich des S-Bahnverkehrs, angeführt. Multimodale Mobilität mittels Digitalisierung sowie die Förderung des Radverkehrs werden hingegen nicht genannt. In der Summe erscheint das Programm sinnvoll und Verkehrswende-kompatibel, aber zu wenig ausgewogen bzw. unvollständig.

DIE LINKE

Plakat zur Kommunalwahl in Weßling

Der Kreisverband von DIE LINKE hatte bis zum Erscheinen dieses Beitrags kein Kommunalwahlprogramm veröffentlicht und konnte uns auf Nachfrage keine entsprechenden Informationen zur Verfügung stellen. DIE LINKE ist allerdings die einzige der zur Wahl des Kreistags stehenden Parteien, die zumindest in ihrer Werbung den Begriff Verkehrswende verwendet.

Fazit

Die untersuchten Kommunalwahlprogramme unterscheiden sich beim Thema Mobilität teilweise recht deutlich. Dabei stecken die größten Ambitionen für eine Verkehrswende in den Programmen der ökologisch orientierten Parteien. Ansonsten ergibt sich ein ein ähnliches Bild wie bei der Vision Mobilität 2020: Das Thema wird zwar besetzt, der anstehende Paradigmenwechsel wird jedoch nicht in seiner vollen Tragweite erkannt und gestaltet. Auch im Landkreis Starnberg gilt daher: Politik und Verwaltung werden es nicht richten. Die Verkehrswende muss von den Bürgerinnen und Bürgern eingefordert und angeschoben werden. Der VCD setzt sich dafür einmachen Sie mit!

Weitere Beiträge zum Thema Mobilität zur Kommunalwahl:

Verkehrswende im Landkreis STA Teil 1: Vision Mobilität 2020

Radentscheide & Pedelec-Boom, Carsharing & Mobility as a Service, Dieselbetrug & IAA-Proteste, … – unsere Mobilität ist im Umbruch. Und das ist höchste Zeit: Denn der Verkehr trug 2017 zu 21 % der CO2-Emissionen in Deutschland bei, Tendenz sogar steigend. Nachdem jahrzehntelang das Privatauto die Straßen dominiert hat, leiten die Menschen – vor allem in Großstädten – einen Paradigmenwechsel ein, der Verkehrs- oder Mobilitätswende genannt wird.

Doch im Landkreis Starnberg ist von dieser Verkehrswende noch wenig zu spüren. Nach wie vor dominiert der Pkw die Ortsbilder, finanzielle und personelle Ressourcen fließen in erster Linie in den Neu- und Ausbau von Straßen für Kraftfahrzeuge. Auf den Bau von drei Westumfahrungen und den sechsspurigen Ausbau der A96 folgt ein Tunnel durch Starnberg für mehr als 200 Millionen Euro.

Ein Lichtblick war das Konzept für ein Alltagsradroutennetz, 2016 vom Kreisrat beschlossen. Doch die Umsetzung erfolgt laut Starnberger SZ im „Schildkrötentempo” und wird noch Jahrzehnte dauern, wenn sie keine höhere Priorität erhält. Mehr Nägel mit Köpfen werden dagegen beim Linienbusverkehr gemacht. Hier gab es in den letzten Jahren mit neuen Linien und engeren Takten große Fortschritte.

Vision Mobilität 2020 – gar nicht visionär

Wohin führt die Verkehrspolitik im Landkreis Starnberg? Den Weg weist die Ende 2018 vom Kreistag beschlossene Vision Mobilität 2020 für den Landkreis Starnberg. Wir haben sie angesichts des Kommunalwahlkampfs nochmal genauer unter die Lupe genommen.

Zunächst das VCD-Fazit in aller Kürze: Die Vision Mobilität 2020 ist keine Vision. Sie ist zu mutlos und unausgewogen, um die Verkehrspolitik im Landkreis STA zu erneuern. Stattdessen schreibt der Kreisrat in der „Vision“ im Wesentlichen bereits laufende Aktivitäten fort und empfiehlt technische Entwicklungen, die in absehbarer Zeit ohnehin eingeführt würden.

Critical Mass am 29. Juni 2018 in Weßling

Hier erklären wir genauer, woran es der Vision Mobilität 2020 mangelt:

Der Kernsatz

„Die Vision Mobilität des Landkreises Starnberg stärkt die Werte unserer Region – elementarer Bestandteil ist eine nachhaltige, zukunftsfähige und naturgesunde Mobilität für alle.“

klingt zunächst durchaus nach Verkehrswende. Tatsächlich folgt der Begriff auf den 48 sperrig formulierten Seiten mehrfach. Im Abschnitt 5 werden folgende neun Ziele genannt:

  1. Reduzierung von Luftschadstoffen und Lärm durch Straßenverkehr
  2. Reduzierung von CO2-Ausstoß durch Verkehr
  3. Schutz der Lebensgrundlagen Boden, Luft und Wasser
  4. Verknüpfung von Mobilitätsangeboten und Verkehrssteuerung durch Digitalisierung
  5. Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs (MIV)
  6. Berücksichtigung aller Verkehrsarten bei der Gestaltung des öffentlichen Raums
  7. Sichere Verkehrswege
  8. Mobilität und Infrastruktur für alle (Inklusion)
  9. Akzeptanz für neue Mobilitätsarten und alternative Antriebe

Auch diese Punkte entsprechen weitgehend den Zielen der Verkehrswende. In Anbetracht der bisher autofreundlichen Verkehrspolitik im Landkreis Starnberg lässt insbesondere das fünfte Ziel „Reduzierung des MIV” aufhorchen. Dabei wird festgestellt, dass der Landkreis „unter einem sehr hohen MIV leidet”. Großer Schwachpunkt dieses Ziels in der Vision Mobilität 2020 ist, dass weder zur aktuellen, noch zur angestrebten Situation quantitative Angaben (Motorisierungsgrad, Modal Split) gemacht werden. Tatsächlich wird auf fast jeder Bürgerversammlung vehement eingefordert, den stetig wachsenden, unerträglich gewordenen Kraftverkehr im Landkreis Starnberg einzudämmen. Doch wie soll überprüft werden, dass dieses Ziel erreicht wird? Ohne konkrete Zahlen wird es wahrscheinlich ein Lippenbekenntnis bleiben.

Park-Platz statt Parkplatz am 11. Mai 2019 in Gilching

Im Anschluss an die Ziele werden in der Vision Mobilität 2020 neun Handlungsfelder beschrieben, die im Verlauf des Projekts durch passende Maßnahmen umgesetzt werden sollen:

  1. Ausbau und Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV)
  2. Förderung von Elektromobilität (MIV und ÖPNV) sowie Rad- und Fußverkehr
  3. Digitalisierung von Mobilitätsangeboten
  4. Bewusstseinsbildung zur Steigerung der Akzeptanz für MIV-Alternativen
  5. Gestaltung der zukünftigen Mobilität mit Bürgerbeteiligung
  6. Vernetzung von Mobilitätsangeboten
  7. Schaffung eines multimodalen Mobilitätssystems
  8. Einheitliche Mobilitätsstandards
  9. Komfortable Mobilitätsangebote

Diese Handlungsfelder haben einen grundsätzlichen Konstruktionsfehler: Sie beinhalten ausschließlich fördernde Maßnahmen. Es ist jedoch wissenschaftlich und praktisch belegt, dass wir unser Mobilitätsverhalten nur ändern, wenn attraktivierende (pull) und de-attraktivierende (push) Maßnahmen kombiniert werden. Das hieße etwa, die Menschen nicht nur durch bessere Geh- und Radwege oder Linienbusangebote im Landkreis, sondern auch durch Tempolimits, weniger Pkw-Parkflächen oder entschleunigende Gestaltung öffentlicher Räume zum Umsteigen auf den Umweltverbund (Fuß, Rad, ÖPNV) zu bewegen. Daher ist nicht zu erwarten, dass die Ziele der Vision Mobilität 2020 mit diesen Handlungsfeldern erreicht werden können.

Darüber hinaus erscheinen die Handlungsfelder wenig ausgewogen. Der ÖPNV ist sehr stark vertreten, obwohl hier ohnehin schon relativ viel erreicht wurde. Auch die mit der Digitalisierung zusammen hängenden Punkte 3, 6 und 7 nehmen übermäßig viel Raum ein. Noch dazu ist für dieses Thema eher der Münchner Verkehrsverbund als der Landkreis zuständig und kompetent. Die Förderung von E-Automobilität torpediert übrigens das vorrangige Ziel, nämlich den MIV zu verringern.

Schließlich gibt auch das fünfte Handlungsfeld „Bürgerbeteiligung“ Anlass zur Kritik. Der Bürgerwille wurde schon bei der Erstellung der Vision Mobilität 2020 missachtet. Diese wurde und wird nämlich hinter verschlossenen Türen konzipiert. Bürgerinnen und Bürger sowie NGOs (wie der VCD), die sich schon seit vielen Jahren für das Thema engagieren, werden nicht einbezogen. Warum werden mit öffentlichen Mitteln finanzierte Projekte nicht wenigstens öffentlich dokumentiert?

Insgesamt ist die Vision Mobilität 2020 also zu unausgewogen und mutlos, um die Verkehrswende im Landkreis Starnberg einzuleiten. Die Handlungsfelder beinhalten im Wesentlichen die Fortschreibung bereits laufender Aktivitäten sowie technische Entwicklungen, die in absehbarer Zeit ohnehin eintreten. Zudem fehlt es an messbaren Zielen für eine Erfolgskontrolle der Maßnahmen und an Transparenz.

Auf zu einer echten Vision Mobilität 2025!

Aus der Sicht des VCD sollte der Kreisrat die Vision Mobilität 2020 mit mehr Mut überarbeiten, dabei Vereine, Verbände und Bürgergruppen einbinden, die sich beherzt für eine Verkehrswende im Landkreis Starnberg einsetzen, und Fortschritte auf der Basis von Zahlen offenlegen. Bitte unterstützen Sie uns, dass dies nach der Kommunalwahl geschieht!

Lebendiges Starnberg

Der STAgenda-Arbeitskreis Verkehr lädt am Fr, 29.11.2019 um 15:30 Uhr zur kurzen Radl-Demo. Treffpunkt ist um 15:20 Uhr am Kirchplatz.

Um halb Vier geht’s los auf die B2 über den Tutzinger-Hof-Platz bis zur Kreuzung Uhdestraße, dann über Perchastraße und Kaiser-Wilhelm-Straße wieder zurück zum Kirchplatz. Dort wollen wir pünktlich um 16:00 Uhr zum Beginn der Demo anlässlich des bundesweiten und Starnberger Klimastreiks zurücksein.

Die Radrunde ist für Groß und Klein geeignet, enthält keine Steigungen und wird von der Polizei Starnberg begleitet. Kinder dürfen allerdings nur ab 4. Klasse selbst mitfahren, sprich wenn sie den Fahrradführerschein haben. Bei sehr schlechtem Wetter wird die Rad-Demo abgesagt.

Das Motto lautet: „Lebendiges Starnberg“ – Die Teilnehmer*innen sind deshalb herzlich eingeladen, sich zu verkleiden oder ihre Fahrräder bunt zu dekorieren (sofern ihre Verkehrstüchtigkeit bzw. die der Räder davon nicht beeinträchtigt werden.) Der AK Verkehr wirbt damit für mehr und bessere Fahrradwege in Starnberg im Rahmen des Konzepts „Lebendiges Starnberg“. Hauptziel des Konzepts: Spürbare Entlastung der Stadt vom motorisierten (Durchgangs-) Verkehr.

Tempolimit jetzt!

CO2 ist der größte Klimakiller unserer Zeit und der Klimawandel ist längst eine reale Bedrohung für unser aller Zukunft. Ein ganz einfacher Weg, schon morgen den CO2-Ausstoß in Deutschland zu senken, ist ein Tempolimit. Und das beste: Es kostet uns keinen Cent.

Zur Petition geht’s hier lang:

Hier noch eine interessante Kolumne zum Thema:

Ohne Tempolimit bleibt Deutschland zurück
Das nicht vorhandene Tempolimit auf deutschen Autobahnen ist ein Zeichen der Freiheit? Nein. Es steht eher symbolisch für die Rückständigkeit dieses Landes. Ganzer Artikel unter

Petition für 365,- € Ticket

Das Jahresticket für 365 Euro, für 1 Euro am Tag, macht die Nutzung von Bus und Bahn unkompliziert – einfach ein- und aussteigen, wo und wann man möchte, ohne komplizierte Tarife verstehen zu müssen. 1 Euro am Tag macht Bus und Bahn billiger und attraktiver. Ist die 365-Euro-Flatrate bezahlt, wird eher in die Öffentlichen als ins Auto eingestiegen – eine moderne Selbstverständlichkeit in Zeiten von Klimakrise und abgasverpesteter Luft.

Hier gehts zur Petition:

Straßenbahn auf Gummi

Verkehrssysteme auszubauen, kostet viel Zeit und Geld. In der ÖPNV-Branche wächst deshalb das Interesse an innovativen Bussystemen – an „Stadtbahnen auf Gummirädern”, die vorhandene Straßeninfrastruktur praktisch von Heute auf Morgen nutzen können. Ist das möglicherweise eine Brücke zur Stadt-Umland-Bahn?

Weitere Informationen unter:

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