Teilweise liegt es daran, dass viele Mängel nicht in der Zuständigkeit des Landratsamtes liegen. Tatsächlich muss ein großer Teil der notwendigen Verbesserungen für Radlerinnen und Radler von den Gemeinden bzw. der Stadt Starnberg beschlossen, umgesetzt und bezahlt werden. Allerdings liegt eine ähnliche Situation beim Linienbusverkehr vor, wo dasselbe Verkehrsmanagement seit Jahren die Kommunen geradezu leidenschaftlich und sehr erfolgreich zur Zusammenarbeit bewegt. Ein vergleichbares Engagement und dieselbe Womanpower für den Radverkehr könnte sehr viel mehr Fahrradfreundlichkeit bewirken. Denn die Kommunen brauchen dringend mehr Unterstützung, etwa durch Koordination interkommunaler Radwege-Projekte, Motivation zu oder Expertise bei lokalen Maßnahmen.
Doch auch wenn die Zuständigkeit beim Landkreis liegt, ist viel Luft nach Oben:
Ja, es gibt eine landkreisweite Radverkehrswegweisung. Aber mangels angemessenen Unterhalts sind viele Wegweiser falsch ausgerichtet, nicht mehr aktuell oder gar ganz verschwunden.
Ja, es gibt eine Radverkehrsbeauftragte. Aber nur ein Bruchteil ihres Zeitbudgets wurde bislang tatsächlich für den Radverkehr eingesetzt.
Ja, es gibt ein Konzept für ein Alltagsradroutennetz. Aber die Maßnahmen sind nicht öffentlich einsehbar, und die Umsetzung verläuft quälend langsam, auch weil der Landkreis nicht proaktiv und vermittelnd auf die Kommunen zugeht (siehe oben).
Ja, es gibt ein Konzept für den Radschnellweg Starnberg-München. Aber die betroffenen Kommunen wurden nicht dafür begeistert, sondern mit vermeintlich hohen Raum- und Kostenanforderungen verschreckt.
All diese gravierenden Mängel sind für die Bewertungskommission der AGFK bei einer eintägigen Bereisung natürlich nicht erkennbar, denn formal hat der Landkreis viel für den Radverkehr getan. Somit können weder häufig Radfahrende noch ADFC und VCD die neuerliche Zertifizierung als „fahrradfreundlicher Landkreis“ gutheißen. Daran ändern auch die bis Herbst versprochenen Nachbesserungen nichts. Denn damit holen Landkreis und Kreistag ja lediglich lange Versäumtes nach.
Wo ist Hoffnung?
Platzmangel & neuer Lebensstil: Nach wie vor steigende Kfz-Zulassungen bringen die Infrastruktur im Landkreis immer mehr an ihre Grenzen. So haben wir zunehmend nicht nur ein Umwelt-, sondern auch ein Platzproblem. Zugleich wünschen sich immer mehr Bürger. und Politiker.innen mehr Ruhe, gute Luft und attraktivere Angebote, um unabhängig vom Auto mobil zu sein. Dieser Wunsch und das Platzproblem wird die Mobilitätswende auch im diesbezüglich rückständigen Landkreis STA erreichen.
Breite Allianz pro Radverkehr: Als raum- und energieeffizientestes, individuelles Verkehrsmittel boomt das Fahrrad in grandiosem Maße. Neben ADFC und VCD fordern mittlerweile Naturschutz- und Klimaschutzverbände sowie Unternehmen eine konsequente Stärkung des Alltagsradverkehrs.
Eine neue Generation Politiker.innen Landrat Stefan Frey zum Beispiel scheint dem Thema Radverkehr eine höhere Bedeutung beizumessen als sein Vorgänger. Vielleicht gelingt es ihm und anderen neuen Mitgliedern des Kreistags, (endlich) entsprechende Prioritäten im Verkehrsmanagement für einen wirklich radfreundlichen Landkreis zu setzen.
Bitte unterstützen Sie uns, wenn auch Sie den Radverkehr im Landkreis STA voran bringen wollen!
Doch was denken die Menschen, die hier oft und viel Rad fahren? Wir nehmen die bevorstehende Re-Zertifizierung zum Anlass, im Vorfeld ein Stimmungsbild unter möglichst vielen Radfahrerinnen und Radfahrern im Landkreis Starnberg zu zeichnen. Bis zum 11. Oktober können Sie unter folgendem Link in wenigen Minuten fünf einfache Fragen beantworten. Wir freuen uns über Ihre Teilnahme!
Die Meinungsumfrage ist abgeschlossen, hier finden Sie die Auswertung:
Im ersten Teil unserer Serie über die Verkehrswende im Landkreis Starnberg fühlten wir der Vision Mobilität 2020 auf den Zahn. In Teil zwei untersuchten wir, wieviel Verkehrswende in den Parteiprogrammen für die Kreistagswahl steckte. Deutlich zu wenig, mussten wir leider feststellen! Und das, obwohl sich viele Landkreisbürger*innen eine Mobilität für Menschen dringend wünschen. Somit dürften weiterhin viele in Politik und Verwaltung im Landkreis am Bedürfnis nach Sicherheit, Gesundheit und Fairness im Verkehr vorbei arbeiten. Das wollen wir ändern.
In diesem dritten und letzten Teil der Serie folgen konkrete Vorschläge, wie wir die Verkehrswende im Landkreis Starnberg doch noch gemeinsam realisieren können. Diese sollen als Diskussionsgrundlage für eine echte Vision Mobilität 2025 dienen:
Vorschlag 1: Der Landkreis ergreift geeignete Maßnahmen, um den motorisierten Individualverkehr (MIV) zugunsten des Umweltverbunds wirksam zu reduzieren. Ziel ist es, den MIV-Anteil am Modal Split (bezogen auf Wege) jährlich um ein Prozent zu senken. Der Neu- und Ausbau von Straßen und Stellplätzen für Kfz wird gestoppt. Finanzielle und personelle Ressourcen werden entsprechend umverteilt.
Für eine echte Verkehrswende ist eine deutliche Reduzierung des MIV unabdingbar. Denn lebenswerte öffentliche Räume sind nur mit erheblich weniger Kfz-Verkehr möglich. Dieses Ziel ist erreichbar, indem der immense Aufwand an Personal und finanziellen Mitteln für den Kraftverkehr zugunsten verträglicher Mobilitätsformen zurück gefahren wird. Es kann nicht sein, dass sich das Landratsamt mit dem Premiumservice seiner Kfz-Zulassungsstelle brüstet, während die Radverkehrsförderung wegen Personalmangel zum Erliegen kommt. Und wie die Vergangenheit gezeigt hat, führen Straßen- und Parkplatzbau langfristig stets zu noch mehr Belastung durch Autoverkehr.
Vorschlag 2: Die E-Start-Kampagne wird durch eine F-Stopp-Kampagne ersetzt. Ziel ist es, den Motorisierungsgrad (bezogen auf die Einwohnerzahl) mit fossil angetriebenen Fahrzeugen im Landkreis möglichst schnell zu senken. Es werden keine Genehmigungen mehr für Infrastruktur und Handel für bzw. mit fossilen Treib- und Brennstoffen erteilt.
Das Ziel der E-Start-Kampagne, den Landkreis zur Region mit der höchsten Dichte an Elektrofahrzeugen zu machen, geht am eigentlichen Problem vorbei: Das ist nämlich die viel zu hohe Nutzung von Fahrzeugen, die mit fossilen Treibstoffen angetrieben werden. Es ist außerdem nicht mit dem Ziel vereinbar, den MIV zu reduzieren. Und nicht zuletzt wird der immense Ressourcenverbrauch für die Produktion elektrisch angetriebener Kfz übersehen, der nach heutigem Erkenntnisstand keinen Umstieg auf E-Autos im globalen Maßstab erlaubt.
Vorschlag 3: In der Raum- und Bauleitplanung stellt der Landkreis die Schaffung von Kommunen der kurzen Wege in den Mittelpunkt.
Das überkommene Ideal der autogerechten Stadt basiert auf strikter räumlicher Trennung von Wohnen, Arbeit, Einkauf und Freizeit. Als Verkehrsmittel zwischen diesen Nutzungen ist das Privatauto vorgesehen. Diese Idee wurde auch im Landkreis Starnberg über viele Jahrzehnte in Beton gegossen und zwingt heute viele Menschen zur Kfz-Nutzung. Als beratende und kontrollierende Behörde im Bauwesen kann das Landratsamt auf eine Umkehrung dieser Fehlentwicklung hin wirken.
Vorschlag 4: Der Landkreis stellt sicher, dass Straßen gemäß der Gestaltungsgrundsätze der Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen geplant werden. Demnach kommen die Belange von Fußgängern und Radfahrern bei der Aufteilung des Straßenraums an erster Stelle.
In den Landkreiskommunen gibt es zahlreiche Beispiele, wo Fußgänger und Radfahrer an den Rand gedrängt werden, um optimal breite Fahrbahnen für den Kraftverkehr zu ermöglichen. Auch dieses Planungsprinzip ist nicht mehr zeitgemäß und entspricht zudem nicht einmal den heute geltenden Richtlinien. Daher soll die Obere Verkehrsbehörde im Landratsamt sicher stellen, dass innerörtliche Straßen von außen nach innen geplant werden, d. h. zuerst wird ausreichend Platz für Fuß- und Radverkehr vorgesehen, und dann wird der restliche Raum für Kfz verwendet.
Vorschlag 5: Der Landkreis unterstützt die Kommunen bei der Umsetzung von Maßnahmen für sichere und menschenfreundliche Verkehrsführung wie Geschwindigkeitsbeschränkungen (Tempo 30 innerorts), Fußgängerüberwege und Verkehrsberuhigte Bereiche.
Bislang genießen die Belange des Kraftverkehrs stets höchste Priorität bei den Verkehrsbehörden im Landratsamt (sowie bei Verkehrspolizei und Straßenbauamt). Dies widerspricht jedoch den Wünschen der Allgemeinheit. In Zukunft müssen Sicherheit und Wohlbefinden von Fußgängern und Radfahrenden höher gewichtet werden als die Leistungsfähigkeit für den Kfz-Verkehr.
Vorschlag 6: Der Landkreis unterstützt die Kommunen bei der Planung und Realisierung von Mobilitätsstationen an Bahnhöfen und anderen verkehrlich bedeutsamen Orten.
Mobilitätsstationen optimieren den Wechsel zwischen Verkehrsmitteln. Insbesondere kleinere Gemeinden sind häufig nicht in der Lage, solche neuartigen Konzepte aus eigener Kraft umzusetzen. Hier wird Unterstützung durch das Landratsamt benötigt, was auch die Etablierung von einheitlichen Standards im ganzen Landkreis erleichtert.
Vorschlag 7: Der Landkreis setzt sich für ein 365-€-Jahresticket für alle Bürgerinnen und Bürgern im MVV ein. Wer keinen Kfz-Führerschein besitzt oder diesen hinterlegt, kann den ÖPNV kostenlos nutzen. Neubürger können den ÖPNV in den ersten drei Monaten kostenlos nutzen.
Die beschlossene Einführung des 365-€-Jahrestickets für Schüler*innen und Auszubildende ist ein erfreulicher Schritt in die richtige Richtung. Ziel muss allerdings sein, das Angebot auf alle Menschen auszuweiten, denn der öffentliche Verkehr darf nicht als Notlösung für unfreiwillig autolose Randgruppen verstanden werden. Aus demselben Grund ist es nicht ausreichend, die kostenlose ÖPNV-Nutzung bei Hinterlegung des Kfz-Führerscheins nur Senioren anzubieten. Nicht zuletzt sollen auch Neubürger kostenlos fahren dürfen, denn nach einem Umzug sind Menschen für neue Alltagsroutinen besonders aufgeschlossen.
Vorschlag 8: Der Landkreis setzt ein eigenes, mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattetes Team für die Förderung des Fuß- und Radverkehrs ein. Die Realisierung des bereits beschlossenen Alltagsradroutennetzes sowie die Planung von Radschnellwegen werden mit höchster Priorität verfolgt. Das Team tauscht sich im Rahmen eines runden Tisches Radverkehr regelmäßig mit Bürger*innen, örtlichen Initiativen und NGOs aus, um konkrete Verbesserungen für Zufußgehende und Radfahrende zu erarbeiten und rasch zu realisieren. Ziel ist es, den Radverkehrsanteil am Modal Split (bezogen auf Wege) jährlich um ein Prozent zu steigern.
Das bisherige (geringe) Tempo bei der Realisierung des 2016 beschlossenen Alltagsradroutennetzes ist völlig inakzeptabel. Während die Kommunen beim Buslinienverkehr bestmöglich koordiniert, umworben und gefordert werden, behandelt die Landkreisverwaltung den Radverkehr mehr als stiefmütterlich. Wie aufwändig zu realisierende Infrastruktur erfolgreich umgesetzt werden kann, demonstriert das Staatliche Bauamt beim Bau des gigantischen Kfz-Tunnels in Starnberg.
Um ein realistisches Bild von Ist-Stand und Entwicklung der Mobilität im Landkreis Starnberg zu erhalten, sind regelmäßig (zum Beispiel alle zwei Jahre) methodisch fundierte Mobilitätserhebungen durchzuführen und zu veröffentlichen. So kann die Wirksamkeit der Maßnahmen überprüft und – falls nötig – rechtzeitig gegengesteuert werden.
Im Übrigen wäre gegenüber der bisherigen Praxis schon viel gewonnen, wenn die Entscheidenden in Verwaltung und Politik Interpretations- und Ermessensspielräume konsequent im Sinne der Verkehrswende nutzen. Dies gilt zum Beispiel für Tempolimits, Fußgängerüberwege und –ampeln, Fahrradschutzstreifen, rotmarkierte Fahrradfurten etc. Vor allem die Verantwortlichen in Landratsamt, Straßenbauamt und Verkehrspolizei fordern wir auf, künftig zugunsten gesunder und fairer Mobilität für Alle zu entscheiden – und nicht länger den Fokus auf möglichst hohen Kfz-Durchsatz zu legen. So könnten die Landkreiskommunen leichter für die Lebensqualität ihrer Bürgerinnen und Bürger sorgen.
Fazit: In Landkreispolitik und -verwaltung herrscht (noch?) wenig Bewusstsein und Entschlossenheit, unsere Mobilität zeitgemäß zu gestalten. Somit kommt es auf Bürgerinnen und Bürger wie Sie sowie auf Verbände wie den VCD an. Verhelfen wir gemeinsam mit einer Verkehrswende von unten einer menschen- und umweltfreundlichen Mobilität zum Durchbruch. Seien Sie dabei und machen Sie mit!
Im ersten Teil unserer Beitragsserie über die Verkehrswende im Landkreis Starnberg analysierten wir die vom Kreistag beschlossene Vision Mobilität 2020. Nachdem wir dort allerdings nur ansatzweise fündig wurden, suchten wir in den aktuellen Kommunalwahlprogrammen der für den Kreistag kandidierenden demokratischen Parteien nach der Verkehrswende. Diese Betrachtung soll einerseits einen Blick in die verkehrspolitische Zukunft ermöglichen. Sie kann andererseits als Informationsquelle für unentschlossene Wählerinnen und Wähler dienen.
Ziel: Der Landkreis ist 2026 Vorbildregion in Sachen Mobilität – eine neue Mobilitätskultur ist etabliert
Das bereits beschlossene Alltagsradtourennetz ist zu 50 % realisiert.
Vernetzte Systeme sind etabliert; das heißt ÖPNV und Sharing für Rad und Auto stehen flächendeckend zur Verfügung.
Der Landkreis hilft Kommunen und Unternehmen einzelne Projekte wie Ruftaxis, Sharing- und Mitnahme-Initiativen im Landkreis und in der Metropolregion auf einer Plattform den Bürgerinnen und Bürgern verfügbar zu machen.
Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Studierende fahren mit dem 365 € Ticket zu ihren Lern- und Ausbildungsorten und nutzen den ÖPNV auch in der Freizeit. Die Kostenfreiheit des Schulwegs bleibt unberührt.
Jeder Ort im Landkreis ist von morgens 5 Uhr bis Mitternacht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar.
Tempo 30 km/h innerorts auf Kreisstraßen ist die Regel.
Der Landkreis unterstützt Kommunen, die in ihrer Ortsmitte das gleichberechtigte Miteinan- der von Fuß-, Rad- und Autoverkehr durch bauliche Maßnahmen realisieren (Shared-Space-Konzepte).
Im eigenen Fuhrpark werden ausschließlich und in Ausschreibungen werden ausschließlich LKWs mit Abbiegeassistent eingesetzt bzw. vorausgesetzt.
Der Abschnitt A.1 „Klimaziele erreichen” enthält außerdem den Punkt:
Ein Förderprogramm für E-Bikes und E-Lastenräder unterstützt die heimischen Betriebe.
Die genannten Maßnahmen stimmen offenbar weitgehend mit der Vision Mobilität 2020 überein. Neue und wirkungsvolle Impulse im Sinne der Verkehrswende stellen die ÖPNV-Grundversorgung aller Orte sowie die Förderung von E-Bikes und Shared-Space dar. Ein zehn Jahre nach Beschluss nur zur Hälfte realisiertes Alltagsradroutennetz erscheint hingegen unambitioniert, und die Planung und Realisierung von Radschnellwegen fehlt gänzlich. Auch das 365-€-Ticket für junge Menschen in Ausbildung wird den aktuellen verkehrspolitischen Herausforderungen nicht gerecht, weil es den ÖPNV weiterhin als Mobilität für Randgruppen darstellt – und schon vor der Wahl von der Realität eingeholt wurde. Insgesamt ein erfreulich ausführlich und konkretes Programm, das aufgrund seiner teilweise begrenzten Ambitionen allerdings nur Ansätze von Verkehrswende enthält.
CSU
Im kurz gehaltenen Wahlprogramm der CSU wird im Abschnitt „Unsere Lebensqualität erhalten” zum Thema Mobilität Stellung bezogen:
Damit die Lebensqualität in unserem Landkreis mit seinen 14 Gemeinden erhalten bleibt, brauchen wir weiterhin Anreize für neues Mobilitätsverhalten. Mehr Expressbusse, Ruf- oder Bürgerbusse, die Ausweitung und Verdichtung der Takte im Personennahverkehr, attraktive Tarifangebote, aber auch sichere Radwege bieten Alternativen für die täglichen Wege zur Arbeit, im Alltag sowie in der Freizeit, tagsüber und in der Nacht. Interkommunale Mobilitätskonzepte und Lösungen helfen, die vom Durchgangs- und Tourismusverkehr besonders geplagten Gemeinden im Landkreis zu entlasten.
Die Einordnung des „Durchgangs- und Tourismusverkehrs” als Belastung und die Forderung nach einem neuen Mobilitätsverhalten gehen grundsätzlich mit der Verkehrswende konform. Allerdings lässt die Beschränkung auf auswärtigen Kraftverkehr eine Nimby-Haltung erkennen, die aufgrund des extrem hohen landkreiseigenen Kraftverkehrsaufkommens weder angebracht noch zielführend ist. Die eigentlichen Maßnahmen werden oberflächlich in einem einzigen Satz aufgezählt und gehen nicht über die bereits beschlossene Vision Mobilität 2020 hinaus. Sinnvoll erscheint der nicht näher ausgeführte Ansatz, interkommunale Konzepte und Lösungen zu verfolgen. Insgesamt bleibt das Programm zu vage, um einer konsequenten Verkehrswende gerecht zu werden.
FDP
Das Programm der FDP behandelt das Thema Mobilität unter der Überschrift „schneller, bedarfsgerechter und umweltfreundlicher Verkehr”:
Erfolge
Wir haben den bereits abgelehnten Expressbus X910 (von Weßling zur U-Bahn nach Großhadern) neu ins Gespräch gebracht und für seine Realisierung gesorgt. Uns ist es ein Anliegen, den ÖPNV für den Berufsverkehr attraktiver zu machen. Wir unterstützen die Einrichtung eines landkreisweiten Ladenetzes für die E-Mobilität sowie die Verbesserungen beim landkreisweiten Radwegenetz. In unserem ländlich geprägten Landkreis ist auch der Individualverkehr ein gleichrangiger Bestandteil unserer Mobilität.
Ziele
Wir brauchen im Landkreis einen Verkehrsmix. Wir sind nicht die Partei, die gegen Autofahrer ist und den Verkehr so umgestalten will, dass er für Individualverkehr uninteressant wird. Um den Gemeinden bestmögliche Gestaltungsmöglichkeit für die Verkehrsplanung zu geben, müssen die Gemeinden über ihre Straßen verfügen und planen können. Die Einrichtung von „Wassertaxis“ auf den Strecken Berg – Starnberg und Herrsching – Dießen ist zu prüfen.
Zur Schaffung vergleichbarer Lebensverhältnisse in Stadt und Land ist das System der Anruftaxis als Bestandteil des ÖPNV zügig auf den ganzen Landkreis auszuweiten.
Außerdem findet sich unter „ökonomisch und ökologisch vernünftige Abfallbeseitigung im Landkreis” der Satz:
Wir müssen die Anwohner nicht unnötig mit Lärm und Verkehr belasten, wenn auch andere Möglichkeiten, die zudem auch kostengünstig sind, zur Verfügung stehen.
Die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch den Kraftverkehr wird demnach durchaus anerkannt, aber nicht als Motivation für die Verkehrspolitik herangezogen. Vielmehr stehen wirtschaftliche Belange im Vordergrund, und der MIV soll explizit nicht eingeschränkt werden. Die Einrichtung von Wassertaxis sticht als originelle Idee hervor, ansonsten sind keine über die Vision Mobilität 2020 hinaus gehenden Ambitionen enthalten. Insgesamt erteilt das Programm der Verkehrswende mehr oder weniger eine Absage.
Freie Wähler
Die Freien Wähler haben zwar kein Kommunalwahlprogramm, auf ihrer Webseite werden allerdings unter der Rubrik „Unsere Politik vor Ort” im Abschnitt „Infrastruktur” verkehrspolitische Ziele in einem Satz beschrieben:
Wir stehen für den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs durch bessere Taktung, erweiterte Busverbindungen und den Ausbau des Radwegenetzes.
Damit werden Minimalforderungen ohne warum und wie gestellt, die auch in der beschlossenen Vision Mobilität 2020 enthalten sind und für eine Verkehrswende sicherlich nicht ausreichen.
1 Knappen öffentlichen Raum, der allen gleichermaßen zusteht, neu verteilen bzw. aufteilen, bzw. die individuelle Inanspruchnahme finanziell ausgleichen.
Beispiel: Privat-PKW beanspruchen für sich auf öffentlichen Straßen kostenlos parken zu dürfen. Lösung: mehr Parkraumbewirtschaftung; Belohnungssystem für Fußgänger & Fahrradnutzer sowie Verkehrsteilnehmer, die keine Flächenversieglung beanspruchen. „Über“-Nutzung öffentlichen Raums kostenpflichtig machen und mit diesem Geld den ÖPNV fördern. Bewusstsein schaffen durch z.B. ‚Shared Space‘-Verkehrsbereiche mit rückgebauter Beschilderung; Unterstützen von Gemeinden, die autofrei werden möchten.
2 Raum- und ressourcenintensiven Individualverkehr (z.B. Mehrspur-Fzge. mit Motorantrieben) reduzieren.
Bsp.: Pendlerverkehr – Bewusstsein und Kommunikation für Alternativen wie z.B. Homeoffice schaffen. Pendlerparkplätze (Anbindung an ÖPNV) ausweisen, Mitfahrgelegenheiten (z.B. Apps) und Ridesharing fördern. Öffentliche Einrichtungen als Vorreiter und Musterbeispiele diesbezüglich etablieren. Trotzdem der LKr STA bereits versucht flächendeckend & tageszeitunabhängig MVV bereitzustellen, gibt es in der Verfügbarkeit des ÖPNV nach wie vor tageszeitabhängige & örtliche Lücken; Der ÖPNV darf vor allem nicht an den LKr-Grenzen enden; es gilt Kooperationen mit den Nachbar-Landkreisen zu bilden. Für die Gegenden, in denen sich die klassischen ÖPNV-Modelle nur ungenügend wirtschaftlich gestalten lassen, wären diese Lösungsansätze denkbar: Bürgerbus, Ruftaxi (=Sammeltaxi auf Stundenbasis fährt Haltestellen an (1h Vorlaufzeit) nach dem Beispiel FFB, ragt über Inning bis Herrsching und Weßling in den Lkr STA hinein).
3 Erreichbarkeit des ÖPNV (Schnittstellen) und überfüllte P&R-Parkplätze.
P&R-Parkplätze ausbauen ist zweischneidig, weil damit u.U. zusätzlicher Individualverkehr angezogen wird; besser: Ridesharing fördern; Integration Parkgebühr in Monatsticket (=Parkplätze bleiben Pendlern vorbehalten), Radzuwege ausbauen & sichere Radlstellplätze (brauchen weniger Platz als PKW).
4 Fahrradverkehr fördern – Schnittstellen zum ÖPNV optimieren.
Firmenfahrrad statt Firmenwagen! Kommunizieren dieser steuerlich attraktiven Alternative; wir fordern, dass öffentliche Arbeitgeber hier in die Vorreiterrolle schlüpfen.
Wir setzen uns ein für den Ausbau der Radl-Infrastruktur, um das Radfahren sicherer zu machen durch z.B. rote Querungsmarkierungen, dem Ausweisen von mehr Fahrradstraßen, beleuchteten Radwegen, usw.
Um Missstände aufzudecken, lokale Aktionskreise bilden nach Vorbild des AK mobil&lebenswert in Weßling.
Leihfahrradangebote insbesondere auch für Lastentransportfahrräder müssen ausgebaut werden. Hierfür ist es sinnvoll, zwischen Touristik- und Pendler- (z.B. MVG-Rad (z.B. Neugilching-Asto-Park), sowie Transportangeboten (z.B. Leih-Lastenrad der NBH in Weßling) zu differenzieren und die Angebote auf das jeweilige Anforderungsprofil abzustimmen.
Eine finanzielle Unterstützung bei der privaten Anschaffung von Lastenfahrrädern wird der Verbreitung als ernsthafte Transportalternative dienen.
Die Fahrradmitnahme im ÖPNV (Bus & Bahn) muss verbessert werden. In der S-Bahn ist die Mitnahme (wenn größer als 20“(=kostenlos)) so teuer, dass der Eindruck entsteht, dass über den Preis ein Ausweiten der Inanspruchnahme des Angebots verhindert werden solle. Hierfür müssen Gespräche mit den Verantwortlichen beim MVV geführt werden um konstruktive Lösungen auf den Weg zu bringen.
Ein weiterer Ansatz zur sinnvollen Kombination von Fahrrad mit dem ÖPNV ist die Idee, Linienbusse auf dafür geeigneten Linien mit Radl-Gepäckträgern am Heck auszurüsten. Damit die Haltezeiten sich nicht unkalkulierbar verlängern, beschränkt auf den Fahrradtransport von Anfangs- bis Endstation; Denkbar wäre auch die gleichberechtigte Mitnahme wie Kinderwagen von max. 2 Fahrrädern im Innenraum mit der Einschränkung, dass ggf. beim Zusteigewunsch eines Kinderwagens oder Rollstuhls die Fahrräder Platz machen und aussteigen müssten.
5 365-Tage-Pauschalticket etablieren.
Was bezahlt ist, kostet nichts mehr extra (vgl. vollgetankter PKW vor der Haustüre) und stellt die geringste Nutzungshürde dar.
6 Buswartehäuschen fördern.
Damit das Warten auf den Bus wetterunabhängiger wird.
7 Ausflüglerverkehr ins Fünfseenland.
Alle wollen direkt am See parken ohne lange Zubringerwege. Neben den klassischen Maßnahmen, wie Anliegerstraßen und Parkraumbewirtschaftung, muss ein Bewusstsein geschaffen werden für das hohe Gut unserer Umwelt, die es lebenswert zu erhalten gilt. Dabei sollen Erholungssuchende nicht ausgesperrt werden oder in ihrer Freiheit beschnitten werden, sondern win-win-Lösungen erarbeitet werden. Z.B. autofreie Zonen plus Shuttle-Zubringer.
8 Mietroller.
Wir sprechen uns klar gegen das Verleihgeschäft von „Spaßrollern“ aus. Sie bergen hohes Unfallrisiko, liegen überall herum und sind nicht nachhaltig (z.B. Elektroschrott). Wenn schon Mietfahrzeuge, dann z.B. das Münchner Vorbild der Emmy-Roller (Elektro-Schwalbe).
9 Umgehungsstraßen.
Sie bringen oft nicht die erhoffte Entlastung der Orte, stattdessen generieren zusätzliche Straßen zusätzlichen Verkehr und die Bodenversieglung darf auch nicht vernachlässigt werden. Ein Ausbrechen aus dem Dilemma kann am ehesten durch genaues Abwägen und Planen im Vorfeld erzielt werden; es gilt, alternative Verkehrskonzepte zur Entlastung zu erarbeite, dabei eine gute undogmatische Kommunikation zu pflegen und unterschiedliche Interessensgruppen zu vereinen.
10 Barrierefreiheit.
Barrierefreiheit muss im Sinne eines guten Zusammenlebens für alle ein selbstverständliches Anliegen sein, jenseits von Kosten- und Wirtschaftlichkeitsabwägungen – es geht um ethische Werte.
Die genannten Konzepte und Maßnahmen sind ambitioniert und weisen deutlich in Richtung Verkehrswende. Mit der Reduzierung des MIV, der Umverteilung des Verkehrsraums und Parkraumbewirtschaftung spielen auch de-attraktivierende Maßnahmen eine wichtige Rolle, sodass eine hohe Wirksamkeit zu erwarten ist. Anlass zur Kritik geben teilweise unausgegorene Ideen wie die Förderung der Fahrradmitnahme im häufig überlasteten ÖPNV, sowie fehlende Anknüpfungspunkte an laufende Projekte wie das Alltagsradroutennetz oder die Konzeption von Radschnellwegen. Insgesamt ein hinsichtlich Verkehrswende besonders ehrgeiziges Programm, dem es in seiner Gesamtheit allerdings etwas an Struktur und Priorisierung mangelt.
SPD
Die SPD hat kein Kommunalwahlprogramm veröffentlicht. Auf Anfrage teilte uns die Kreisvorsitzende (Julia Ney) mit, dass das Programm der Kreistagsliste mit dem der Landratskandidatin (Christiane Kern) überein stimmt. Auf deren Webseite steht im Begrüßungstext:
Ich möchte, dass die zukünftige Mobilität so gestaltet wird, dass immer mehr Menschen in der Region auf ihr eigenes Auto verzichten.
Weitere Inhalte zum Thema Mobilität gibt es im „Schwerpunkt Klimaschutz” unter der Überschrift „Attraktiver ÖPNV”:
Um mehr Menschen für den Verzicht auf das Auto zu begeistern, braucht es einen attraktiven ÖPNV mit zuverlässigen Verbindungen. Weiterhin sollen die Verkehrsmittel für alle Menschen zugänglich sein, mit und ohne Handicap.
Ein attraktiver öffentlicher Personen- und Nahverkehr heißt für mich: Verlässliche Fahrpläne und Taktverdichtungen der S6 und S8, eine Express-S-Bahn auf der Strecke Herrsching – München, Barrierefreiheit aller Bahnhöfe und eine Wiederöffnung der S-Bahn-Haltestelle Weichselbaum – dafür setze ich mich ein!
Die Reduzierung des Autoverkehrs wird hier erfreulich klar als Ziel benannt. Dazu werden allerdings allein bodenständige Maßnahmen zur Verbesserung des ÖPNV, vornehmlich des S-Bahnverkehrs, angeführt. Multimodale Mobilität mittels Digitalisierung sowie die Förderung des Radverkehrs werden hingegen nicht genannt. In der Summe erscheint das Programm sinnvoll und Verkehrswende-kompatibel, aber zu wenig ausgewogen bzw. unvollständig.
DIE LINKE
Der Kreisverband von DIE LINKE hatte bis zum Erscheinen dieses Beitrags kein Kommunalwahlprogramm veröffentlicht und konnte uns auf Nachfrage keine entsprechenden Informationen zur Verfügung stellen. DIE LINKE ist allerdings die einzige der zur Wahl des Kreistags stehenden Parteien, die zumindest in ihrer Werbung den Begriff Verkehrswende verwendet.
Fazit
Die untersuchten Kommunalwahlprogramme unterscheiden sich beim Thema Mobilität teilweise recht deutlich. Dabei stecken die größten Ambitionen für eine Verkehrswende in den Programmen der ökologisch orientierten Parteien. Ansonsten ergibt sich ein ein ähnliches Bild wie bei der Vision Mobilität 2020: Das Thema wird zwar besetzt, der anstehende Paradigmenwechsel wird jedoch nicht in seiner vollen Tragweite erkannt und gestaltet. Auch im Landkreis Starnberg gilt daher: Politik und Verwaltung werden es nicht richten. Die Verkehrswende muss von den Bürgerinnen und Bürgern eingefordert und angeschoben werden. Der VCD setzt sich dafür ein – machen Sie mit!
Weitere Beiträge zum Thema Mobilität zur Kommunalwahl:
Radentscheide & Pedelec-Boom, Carsharing & Mobility as a Service, Dieselbetrug & IAA-Proteste, … – unsere Mobilität ist im Umbruch. Und das ist höchste Zeit: Denn der Verkehr trug 2017 zu 21 % der CO2-Emissionen in Deutschland bei, Tendenz sogar steigend. Nachdem jahrzehntelang das Privatauto die Straßen dominiert hat, leiten die Menschen – vor allem in Großstädten – einen Paradigmenwechsel ein, der Verkehrs- oder Mobilitätswende genannt wird.
Doch im Landkreis Starnberg ist von dieser Verkehrswende noch wenig zu spüren. Nach wie vor dominiert der Pkw die Ortsbilder, finanzielle und personelle Ressourcen fließen in erster Linie in den Neu- und Ausbau von Straßen für Kraftfahrzeuge. Auf den Bau von drei Westumfahrungen und den sechsspurigen Ausbau der A96 folgt ein Tunnel durch Starnberg für mehr als 200 Millionen Euro.
Ein Lichtblick war das Konzept für ein Alltagsradroutennetz, 2016 vom Kreisrat beschlossen. Doch die Umsetzung erfolgt laut Starnberger SZ im „Schildkrötentempo” und wird noch Jahrzehnte dauern, wenn sie keine höhere Priorität erhält. Mehr Nägel mit Köpfen werden dagegen beim Linienbusverkehr gemacht. Hier gab es in den letzten Jahren mit neuen Linien und engeren Takten große Fortschritte.
Vision Mobilität 2020 – gar nicht visionär
Wohin führt die Verkehrspolitik im Landkreis Starnberg? Den Weg weist die Ende 2018 vom Kreistag beschlossene Vision Mobilität 2020 für den Landkreis Starnberg. Wir haben sie angesichts des Kommunalwahlkampfs nochmal genauer unter die Lupe genommen.
Zunächst das VCD-Fazit in aller Kürze: Die Vision Mobilität 2020 ist keine Vision. Sie ist zu mutlos und unausgewogen, um die Verkehrspolitik im Landkreis STA zu erneuern. Stattdessen schreibt der Kreisrat in der „Vision“ im Wesentlichen bereits laufende Aktivitäten fort und empfiehlt technische Entwicklungen, die in absehbarer Zeit ohnehin eingeführt würden.
Hier erklären wir genauer, woran es der Vision Mobilität 2020 mangelt:
Der Kernsatz
„Die Vision Mobilität des Landkreises Starnberg stärkt die Werte unserer Region – elementarer Bestandteil ist eine nachhaltige, zukunftsfähige und naturgesunde Mobilität für alle.“
klingt zunächst durchaus nach Verkehrswende. Tatsächlich folgt der Begriff auf den 48 sperrig formulierten Seiten mehrfach. Im Abschnitt 5 werden folgende neun Ziele genannt:
Reduzierung von Luftschadstoffen und Lärm durch Straßenverkehr
Reduzierung von CO2-Ausstoß durch Verkehr
Schutz der Lebensgrundlagen Boden, Luft und Wasser
Verknüpfung von Mobilitätsangeboten und Verkehrssteuerung durch Digitalisierung
Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs (MIV)
Berücksichtigung aller Verkehrsarten bei der Gestaltung des öffentlichen Raums
Sichere Verkehrswege
Mobilität und Infrastruktur für alle (Inklusion)
Akzeptanz für neue Mobilitätsarten und alternative Antriebe
Auch diese Punkte entsprechen weitgehend den Zielen der Verkehrswende. In Anbetracht der bisher autofreundlichen Verkehrspolitik im Landkreis Starnberg lässt insbesondere das fünfte Ziel „Reduzierung des MIV” aufhorchen. Dabei wird festgestellt, dass der Landkreis „unter einem sehr hohen MIV leidet”. Großer Schwachpunkt dieses Ziels in der Vision Mobilität 2020 ist, dass weder zur aktuellen, noch zur angestrebten Situation quantitative Angaben (Motorisierungsgrad, Modal Split) gemacht werden. Tatsächlich wird auf fast jeder Bürgerversammlung vehement eingefordert, den stetig wachsenden, unerträglich gewordenen Kraftverkehr im Landkreis Starnberg einzudämmen. Doch wie soll überprüft werden, dass dieses Ziel erreicht wird? Ohne konkrete Zahlen wird es wahrscheinlich ein Lippenbekenntnis bleiben.
Im Anschluss an die Ziele werden in der Vision Mobilität 2020 neun Handlungsfelder beschrieben, die im Verlauf des Projekts durch passende Maßnahmen umgesetzt werden sollen:
Ausbau und Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV)
Förderung von Elektromobilität (MIV und ÖPNV) sowie Rad- und Fußverkehr
Digitalisierung von Mobilitätsangeboten
Bewusstseinsbildung zur Steigerung der Akzeptanz für MIV-Alternativen
Gestaltung der zukünftigen Mobilität mit Bürgerbeteiligung
Vernetzung von Mobilitätsangeboten
Schaffung eines multimodalen Mobilitätssystems
Einheitliche Mobilitätsstandards
Komfortable Mobilitätsangebote
Diese Handlungsfelder haben einen grundsätzlichen Konstruktionsfehler: Sie beinhalten ausschließlich fördernde Maßnahmen. Es ist jedoch wissenschaftlich und praktisch belegt, dass wir unser Mobilitätsverhalten nur ändern, wenn attraktivierende (pull) und de-attraktivierende (push) Maßnahmen kombiniert werden. Das hieße etwa, die Menschen nicht nur durch bessere Geh- und Radwege oder Linienbusangebote im Landkreis, sondern auch durch Tempolimits, weniger Pkw-Parkflächen oder entschleunigende Gestaltung öffentlicher Räume zum Umsteigen auf den Umweltverbund (Fuß, Rad, ÖPNV) zu bewegen. Daher ist nicht zu erwarten, dass die Ziele der Vision Mobilität 2020 mit diesen Handlungsfeldern erreicht werden können.
Darüber hinaus erscheinen die Handlungsfelder wenig ausgewogen. Der ÖPNV ist sehr stark vertreten, obwohl hier ohnehin schon relativ viel erreicht wurde. Auch die mit der Digitalisierung zusammen hängenden Punkte 3, 6 und 7 nehmen übermäßig viel Raum ein. Noch dazu ist für dieses Thema eher der Münchner Verkehrsverbund als der Landkreis zuständig und kompetent. Die Förderung von E-Automobilität torpediert übrigens das vorrangige Ziel, nämlich den MIV zu verringern.
Schließlich gibt auch das fünfte Handlungsfeld „Bürgerbeteiligung“ Anlass zur Kritik. Der Bürgerwille wurde schon bei der Erstellung der Vision Mobilität 2020 missachtet. Diese wurde und wird nämlich hinter verschlossenen Türen konzipiert. Bürgerinnen und Bürger sowie NGOs (wie der VCD), die sich schon seit vielen Jahren für das Thema engagieren, werden nicht einbezogen. Warum werden mit öffentlichen Mitteln finanzierte Projekte nicht wenigstens öffentlich dokumentiert?
Insgesamt ist die Vision Mobilität 2020 also zu unausgewogen und mutlos, um die Verkehrswende im Landkreis Starnberg einzuleiten. Die Handlungsfelder beinhalten im Wesentlichen die Fortschreibung bereits laufender Aktivitäten sowie technische Entwicklungen, die in absehbarer Zeit ohnehin eintreten. Zudem fehlt es an messbaren Zielen für eine Erfolgskontrolle der Maßnahmen und an Transparenz.
Auf zu einer echten Vision Mobilität 2025!
Aus der Sicht des VCD sollte der Kreisrat die Vision Mobilität 2020 mit mehr Mut überarbeiten, dabei Vereine, Verbände und Bürgergruppen einbinden, die sich beherzt für eine Verkehrswende im Landkreis Starnberg einsetzen, und Fortschritte auf der Basis von Zahlen offenlegen. Bitte unterstützen Sie uns, dass dies nach der Kommunalwahl geschieht!